Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig-Holstein 1939-1945 (2001)

Prof. Dr. Uwe Danker und Prof. Dr. Annette Grewe

Als Anschlussprojekt zum umfangreichen IZRG-Projekt „Zwangsarbeitende in Schleswig-Holstein 1939-1945“ widmet sich die Untersuchung einem Teilaspekt, der mit seinen Fragestellungen zentrale Strukturen des Themenkomplexes Zwangsarbeit beleuchtet. Mit Abschluss des Projekts liegen bundesweit zum ersten Mal gesicherte Daten und gesicherte Ergebnisse auf breiter Basis zu dem Thema vor. Die Studie wurde durch die AOK Schleswig-Holstein finanziell gefördert und durch die Erlaubnis, in den betriebseigenen Archivbeständen zu forschen, auch inhaltlich unterstützt.

Der Umgang mit und die Behandlung von erkrankten Zwangsarbeitenden entsprachen den generellen Intentionen, ‚Regeln‘, Strukturen und Handlungsmustern des „Arbeitseinsatzes“. Dessen Kernziel nämlich bildete – und blieb im Krankheitsfall – die zweckorientierte und totale Ausbeutung der Arbeitskraft der ins Reich Gelockten oder Verschleppten. Solange das Arbeitskräftereservoir ‚im Osten‘ unerschöpflich schien, spiegelte sich die rassistische Hierarchie der ‚Fremdarbeiterbeschäftigung‘ auch in der Krankenbehandlung: ‚Slawische Untermenschen‘ wurden separiert, anfangs schnell, nämlich nach zwei oder drei Wochen Krankheit ohne hinreichende medizinische Betreuung – und manchmal unter unwürdigsten Bedingungen – in die Heimat rücktransportiert und ihrem Schicksal überlassen. ‚Nach Verbrauch zurück‘ lautete erkennbar die Devise dieses Umgangs mit dem ‚Menschenmaterial‘.

Ohne dieses Modell aufzugeben, wurden ab 1942 und endgültig nach der Niederlage vor Stalingrad, als sich herausstellte, dass auch „Fremdarbeiter“ aus besetzten Gebieten ein rares Gut darstellten, mehr Zeit und Mittel für die medizinische Wiederherstellung der menschlichen Arbeitskraft eingeräumt, auch mit dem Nebeneffekt einer Intensivierung der ärztlichen Behandlungen. Die ‚Ostarbeiter‘, in allen Sektoren des ‚Ausländereinsatzes‘ in der rassistisch strukturierten Hierarchie ganz unten angesiedelt, erfuhren fortan ebenfalls systematische medizinische Betreuung, ohne allerdings rechtlich irgendeinen Anspruch zu erhalten. Die tendenzielle Verbesserung auch ihrer Lage diente allein zwei Zielen: dem etwas sorgsameren Umgang mit ‚der Ware’ menschliche Arbeitskraft und der Steigerung ihrer Motivation.

Diese zentralen Fragestellungen, beleuchtet unter anderem aus der Perspektive der Behörden, der schleswig-holsteinischen ‚Volksgemeinschaft' und der Zwangsarbeitenden, werden ergänzt durch Einzeluntersuchungen zu spezifischen Themen: die Rolle der deutschen Krankenkassen, Schwangerschaft von Zwangsarbeitenden als besonderes ‚Problem‘ des ‚Arbeitseinsatzes‘, Fleckfieber, Tuberkulose, der Einsatz von ausländischen Arbeitskräften im Pflegebereich sowie der psychiatrische Umgang mit Zwangsarbeitenden.

Uwe Danker, Annette Grewe, Nils Köhler, Sebastian Lehmann (Hrsg.): „Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt“. Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig-Holstein 1939 – 1945. Bielefeld 2001.